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Warum ESG-Ratings immer noch gravierende Mängel aufweisen

08.10.2021

Wer sich zu sehr auf die Bewertungen von ESG-Ratings verlässt, könnte enttäuscht werden. Nicht immer spiegeln Ratings die tatsächliche ESG-Leistung eines Unternehmens wider. Schuld daran sind gleich mehrere und grundsätzliche Schwachstellen.

von Justus Fischer

Wiesbaden, 8. Oktober 2021. ESG-Ratings spielen bei Investmententscheidungen eine tragende Rolle. Investoren und Analysten verlassen sich auf die Bewertungen und schätzen auf deren Grundlage die ESG-Leistung eines Unternehmens ab. So gaben 65 Prozent der befragten Investoren in der Studie „Rate the Raters“ an, dass sie mindestens einmal die Woche ein ESG-Rating nutzen. Und das, obwohl sie in eben dieser Studie kritisieren, dass Ratings Fehler enthalten können oder alte Daten heranziehen. Doch ESG-Ratings haben noch weitere grundsätzliche Schwachstellen, die eine objektive Bewertung unmöglich machen.

Methodologie-Chaos

Eine Studie der MIT Sloan School of Management zeigte, dass sich die ESG-Ratings sechs verschiedener Anbieter stark unterscheiden; die Korrelation lag bei 0,54. Zum Vergleich: Bei Bonitätsbewertungen liegt die Korrelation bei 0,99. Das liegt daran, dass die ESG-Ratingagenturen wie MSCI, Sustainalytics und ISS unterschiedliche Kriterien heranziehen, an denen sie die Leistung der Unternehmen messen. So erklärt sich auch, wie Volkswagen im ESG Rating von MSCI 0 von 100 Punkten erreichte, im Rating von RobecoSAM aber 65 von 100.

Wer sich in diesem Chaos zurechtfinden möchte, wird sich schwertun. Viele Ratingagenturen geben keine Auskunft zu den Kriterien und Gewichtungen, durch die sie überhaupt zu ihrer abschließenden Bewertung kommen. Und selbst wenn sie Informationen dazu preisgeben, fällt es schwer, sich in ihnen zurechtzufinden. So kommt es regelmäßig bei Sustainalytics vor, dass ein Unternehmen zwar keines der geforderten Kriterien in einem Bereich wie „Environmental Policy“ erfüllt hat, es jedoch trotzdem 25 von 100 Punkten  erhält.

Kein Sinn in ESG-Ratings

Wenig Sinn ergibt bei Sustainalytics auch der Bereich „Board Diversity“.  Plötzlich können die Agenturen also auch negative Kriterien auswählen und für die Bewertung heranziehen. Doch wie viele Punkte oder eben Minuspunkte es für die jeweiligen Kriterien gibt und wie sich diese auf das Ergebnis auswirken, bleibt offen. So fällt es Unternehmen schwer, einzuschätzen, wie sie sich überhaupt verbessern können.

All diese Punkte sind schon verwirrend genug. Doch ESG-Ratingagenturen haben noch ein weiteres Ass im Ärmel: Einige verändern ihre Kriterien von einem Jahr auf das andere , dass Unternehmen plötzlich völlig andere Anforderungen haben, um ein gutes ESG-Rating zu erzielen. MSCI hat das beispielsweise in der Pharmabranche getan. Inwiefern sich die Pharma-Unternehmen von einem Jahr auf das andere positiv oder negativ verändert haben, lässt sich aber gar nicht messen.

Von Grund auf schlechtere Karten

Insbesondere eine Gruppe von Unternehmen wird in ESG-Ratings benachteiligt: KMU. So zeigt sich, dass diese im Schnitt schlechter abschneiden als große Unternehmen, selbst wenn sie genauso nachhaltig agieren. Das liegt daran, dass sie weniger Daten liefern. KMU haben jedoch deutlich weniger Ressourcen zur Hand, um eine genauso ausführliche Nachhaltigkeitsberichterstattung wie große Unternehmen durchzuführen. ESG-Ratingagenturen gleichen dieses Problem aber nicht durch ihre Analyse aus.

Wie Sie sehen, haben ESG-Ratingagenturen noch einiges an Arbeit vor sich, wenn sie wirklich objektive und hilfreiche Bewertungen vergeben wollen. Auch eine Definition des Begriffs „Nachhaltigkeit“ und mehr Transparenz, wie die Ratings zustande kommen, würden helfen. Ein weiteres Problem: Viele Unternehmen wissen gar nicht, dass ESG-Ratingagenturen sie bereits bewertet haben. Mehr Kommunikation wäre da hilfreich.

Wir können Ihnen helfen, sich im ESG-Rating-Chaos zurechtzufinden. Melden Sie sich hier.


Justus FischerJustus Fischer: Senior Consultant
Justus Fischer hat Erfahrungen in verschiedenen ESG- und IR-Kommunikationsprojekten gesammelt. Für einen internationalen Technologiekonzern hat er eine crossmediale Content-Marketing-Kampagne koordiniert. Justus studierte Medienwissenschaft, Rhetorik und Literaturwissenschaft an den Universitäten Tübingen, Bielefeld und La Plata (Argentinien).

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