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ESG Disclosure Simplification Act: Neue Berichtspflichten für US-Unternehmen?

18.03.2022

Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden hat sich den Kampf gegen den Klimawandel auf die Fahnen geschrieben und will dabei Unternehmen zur Offenlegung nachhaltigkeitsrelevanter Informationen verpflichten. Die Grundlage für eine etwaige künftige Gesetzgebung bildet der sogenannte ESG Disclosure Simplification Act, der am 16.06.2021 mit einer hauchdünnen Mehrheit von 215 zu 214 Stimmen im Repräsentantenhaus verabschiedet wurde. Angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse im Senat gilt es zwar als unwahrscheinlich, dass der Gesetzesentwurf die zweite legislative Kammer passieren wird. Doch ist vor dem Hintergrund paralleler Entwicklungen im Bereich ESG-Reporting damit zu rechnen, dass zukünftig deutlich umfassendere Berichtspflichten auf amerikanische Unternehmen zukommen werden. So hat etwa die US-Börsenaufsicht SEC angekündigt, eigene verpflichtende ESG-Berichtsstandards zu entwickeln und auch auf globaler Ebene wächst die Zahl politischer Verordnungen, die Unternehmen wie Investoren zu mehr Transparenz beim Thema Nachhaltigkeit verpflichten. Die entscheidenden Akzente hinsichtlich strengerer Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung werden derzeit jedoch in Brüssel gesetzt: In Folge der EU Taxonomie müssen Unternehmen in ihren aktuellen Berichten bereits angeben, welche ihrer Wirtschaftsaktivitäten im Sinne der EU „nachhaltig“ sind und wie groß deren Anteil am gesamten Profit, den operativen und Investitionsausgaben ist. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) kommen ab übernächstem Jahr erweiterte Berichtspflichten hinzu, die zudem nicht nur für große, sondern bereits für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern gelten.

von Michael Diegelmann

Wiesbaden, 18. März 2022 

Neue Klimapolitik unter Präsident Biden

Das Thema Klimaschutz spielte bereits im Wahlkampf des aktuellen US-Präsidenten Joe Biden eine zentrale Rolle. Zwar musste das ursprünglich mit 3,5 Billionen Dollar geplante Klima- und Sozialpaket der neuen US-Regierung auf die Hälfte zusammengestrichen werden, doch umfassen allein die staatlichen Investitionen im Kampf gegen den Klimawandel noch immer 555 Milliarden Dollar. Der Nachhaltigkeits-Fokus der Biden-Administration liegt jedoch nicht nur auf massiven staatlichen Ausgaben, sondern auch verschärften regulatorischen Vorgaben für Unternehmen und Investoren. Besonders interessant dürfte in dieser Hinsicht sein, ob der Corporate Governance Improvement and Investor Protection Act nach seiner Billigung durch das Repräsentantenhaus auch den Senat passiert.

Gesetzentwurf: ungestillter Informationsbedarf von Investoren

Der Gesetzesvorschlag besteht aus insgesamt elf Teilen, wovon der erste, der sogenannte ESG Disclosure Simplification Act of 2021, die verpflichtende Offenlegung von ESG-Informationen vorsieht. Hierzu stellt der US-Kongress fest, dass

  1. die amerikanische Börsenaufsicht SEC über weitreichende Befugnisse verfügt, von notierten Unternehmen die Offenlegung von Informationen zu verlangen, wenn diese im Interesse von Investoren liegen oder für diese wesentlich
  2. die SEC aktuell nicht von Unternehmen verlangt, ESG-Informationen offenzulegen, und auch nicht verlangt, dass die Unternehmen Standards bei der Offenlegung dieser Informationen einhalten.
  3. Investoren angeben, dass die freiwillige Offenlegung von ESG-Daten unzureichend
  4. eine verpflichtende und standardisierte ESG-Berichterstattung im Interesse von Investoren
  5. ESG-Informationen wesentlich für Investoren sind, und die SEC für diese Informationen Berichtsstandards festlegen muss.

Neben der Offenlegung von ESG-Informationen in auditierten Geschäftsberichten verlangt der Gesetzentwurf von gelisteten Unternehmen, dass diese bei den Aktionärsversammlungen eine klare Beschreibung ihrer Ansichten „über die Verbindung zwischen ESG-Kennzahlen und der langfristigen Geschäftsstrategie“ geben, sowie „eine Beschreibung aller Verfahren“, die das Unternehmen anwendet, um „die Auswirkungen von ESG-Kennzahlen auf die langfristige Geschäftsstrategie“ des Unternehmens zu bestimmen.

SEC soll neue Standards erarbeiten

Im Abschnitt 4 des Gesetzentwurfs wird darüber hinaus skizziert, wie die künftigen ESG-Berichtsstandards entwickelt werden sollen. Demnach soll mit dem Sustainable Finance Advisory Committee (SFAC) ein permanentes Gremium eingerichtet werden, das die SEC bei der Bestimmung von ESG-Kennzahlen und Standards zur Offenlegung berät. 18 Monate nach seiner konstituierenden Sitzung soll das SFCA zudem einen Bericht vorlegen, in dem es neue Richtlinien zur Stärkung des Kapitalflusses in nachhaltige Investitionen vorschlagen soll. Der ESG Disclosure Simplification Act kann somit auch vor dem Hintergrund der Anordnung von US-Präsident Biden über klimabezogene Finanzrisiken (Executive Order on Climate-Related Financial Risks) gesehen werden. Auch hierüber wird auf die „Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verbesserung der klimabezogenen Offenlegung durch regulierte Unternehmen“ hingewiesen, „um das klimabezogene Finanzrisiko für das Finanzsystem oder die Vermögenswerte zu mindern, und ein […] Umsetzungsplan für die Durchführung dieser Maßnahmen“ gefordert.

Ablehnung im Senat wahrscheinlich

Dass der ESG Disclosure Simplification Act die nächste legislative Hürde nimmt, gilt indes als unwahrscheinlich. Bereits bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus stimmten vier Demokraten gegen den Entwurf, sodass dieser am Ende mit einer hauchdünnen Mehrheit von 215 zu 214 Stimmen angenommen wurde. Die Mehrheitsverhältnisse im Senat, in dem derzeit 50 Republikanern 48 Demokraten gegenübersitzen, deuten klar daraufhin, dass der Entwurf abgelehnt werden wird. Zumal die republikanischen Senatoren im Bankenausschuss der Kammer in einem öffentlichen Schreiben an die SEC bereits ihren Widerstand gegen weitere ESG-Offenlegungen angekündigt haben. Dem ESG Disclosure Simplification Act of 2021 droht somit dasselbe Schicksal wie seinem Vorgängerentwurf von 2019, obgleich letzterer unter der Trump-Administration auf ein ungleich feindseliges politisches Klima traf. Nichtsdestotrotz verdeutlicht ein Blick auf parallele Entwicklungen auf dem Gebiet der ESG-Nachhaltigkeitsstandards, dass das Thema auch in den USA politisch immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Eigene Impulse der SEC

In dieser Hinsicht kann vor allem die Initiative der SEC unter ihrem aktuellen Vorsitzenden Gary Gensler genannt werden, der die Ausarbeitung eines Vorschlags für eine verbindliche Regelung zur Offenlegung von Klimarisiken durch seine Behörde angestoßen hat. Entscheidend sei dabei, dass die Standards vergleichbarkonsistent und für Investoren hilfreich bei der Entscheidungsfindung sind. Am besten gewährleisteten dies verpflichtende Standards. Der Bedarf nach entsprechenden Standards gehe auch aus dem Feedback hervor, das die SEC auf ihre Einladung zur öffentlichen Konsultation über Klima-Berichte im März 2021 erhielt. So befürworteten Dreiviertel der über 550 Antworten auf das Gesuch der SEC verpflichtende Regeln zur Offenlegung von Klimainformationen von Unternehmen.

Bei der Gestaltung ihrer künftigen Klimaberichtsstandards will die SEC sowohl quantitative als auch qualitative Informationen einbinden. Bei der Ausarbeitung der Standards sollen sich die SEC-Mitarbeiter auch an bestehenden Regelwerken wie von der Task Force on Climate-Related Disclosures (TCFD) orientieren. Die Denkfabrik Center of American Progress empfiehlt der SEC indes, die Ausarbeitung ihrer ESG-Berichtsstandards nicht an Dritte auszulagern. Dieses Vorgehen sei mit rechtlichen, politischen und administrativen Risiken verbunden. Stattdessen sollten Mitarbeiter der SEC ihre ESG-Standards in Austausch mit anderen Behörden und der Öffentlichkeit selbst ausarbeiten. Der Think Tank spricht sich damit impliziert auch gegen eine Zusammenarbeit der SEC mit dem neugegründeten International Sustainability Standards Board (ISSB) aus, dessen Ziel die weltweite, verpflichtende Standardsetzung für Nachhaltigkeitsberichte ist. (Wenn Sie mehr über das ISSB wissen wollen, verweisen wir aus unseren letzten ESG-Friday-Artikel).

Weitreichende Folgen möglich

Sollte der ESG Disclosure Simplification Act in diesem Jahr oder zu einem späteren doch noch ratifiziert werden, dürfte aus Unternehmenssicht neben den neuen Vorgaben zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen vor allem die Frage der persönlichen Haftbarkeit der Vorstände von Interesse sein. Nach dem Vorbild des Sarbanes-Oxley Act von 2002 könnten CEOs und CFOs demnach strafrechtlich belangt werden, wenn die in den Geschäftsberichten enthaltenen Informationen nicht „in allen wesentlichen Punkten ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Finanzlage und des Geschäftsergebnisses“ und darüber hinaus der Nachhaltigkeitsrisiken des Emittenten vermitteln. Bei wissentlich falschen Angaben sieht der Sarbanes-Oxley Act, der eine Reihe ähnlicher Gesetze weltweit nach sich zog, Geldstrafen von bis zu 5 Millionen Dollar und Freiheitsstrafen von bis zu 20 Jahren vor.

Zwar dürften Managerhaftpflichtversicherungen (engl. Directors and Officers Liability Insurance, D&O) an eine etwaige Gesetzgebung angepasst werden und auch Risiken hinsichtlich der neuen Vorgaben für Nachhaltigkeitsberichte abdecken. Doch sind die Policen in den vergangenen Jahren vor allem in Folge von Großschäden wie bei Volkswagen oder Wirecard deutlich teurer geworden. Erweiterte Offenlegungspflichten hinsichtlich möglicher Klima- und anderer ESG-Risiken könnten diesen Trend noch beschleunigen.

ESG-Regulation in Europa

Während in den USA verschiedene Institutionen an neuen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung arbeiten, sieht es auf der anderen Seite des Atlantiks bereits deutlich konkreter aus. Durch die EU Taxonomie haben sich für Unternehmen schon in diesem Jahr neue Berichtspflichten ergeben. Unter anderem müssen solche Unternehmen, die nach der geltenden Non-Financial Reporting Directive (NFRD) verpflichtet sind, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen, in diesen angeben, welcher Anteil an ihren Wirtschaftstätigkeiten „taxonomiefähig“ ist. Damit sind solche Tätigkeiten gemeint, die zur Erfüllung der im Rahmen der EU Taxonomie benannten Umweltziele beitragen, ohne dass sie einem anderen Ziel entgegenwirken. Für das Geschäftsjahr 2021 sind zwar erst die ersten beiden von insgesamt sechs benannten Umweltziele zu berücksichtigen; die verbleibenden werden jedoch in den kommenden Jahren ebenfalls miteinzubeziehen sein, ebenso wie voraussichtlich „soziale“ Aktivitäten. Und durch die Nachfolgeregelung der NFRD, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), werden diese und bereits bestehende Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ab 2024 schon für Unternehmen mit mindestens 250 statt wie bislang 500 Mitarbeitern gelten.

Fazit

Obwohl die US-Regierung unter Präsident Joe Biden die nachhaltige Transformation der amerikanischen Wirtschaft zu einem Hauptpunkt ihrer politischen Agenda erklärt hat und die USA nach dem Austritt unter Donald Trump wieder Mitglied im Pariser Klimaabkommen sind, ist die Ratifizierung des ESG Disclosure Simplification Act ungewiss. Dennoch verdeutlichen verschiedene Entwicklungen wie die Gründung des ISSB und die angekündigten ESG-Standards der amerikanischen Börsenaufsicht SEC, dass aus den USA starke Impulse auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgehen. Ob diese Entwicklungen direkten Einfluss auf die Gesetzgebung anderer Nationen haben werden und langfristig zur Etablierung eines globalen, verpflichtenden Standards bei der Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen in Geschäftsberichten führen werden, wird sich zeigen. Für europäische Unternehmen ergeben sich unterdessen bereits konkrete neue Verpflichtungen durch die EU Taxonomie und künftig auch durch die CSRD. Unternehmen sollten also in jedem Fall vorbereitet sein und schon heute ein professionelles ESG-Reporting etablieren und sich dabei an bestehenden Regelwerken orientieren, um dadurch den Informationsbedarf von Investoren zu befriedigen. Die Aussicht der persönlichen Haftbarkeit, die rechtlich verbindliche Berichtsstandards mit sich bringen könnten, sollte Unternehmensvorständen diese Notwendigkeit nochmals bewusst machen.

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Michael DiegelmannMichael Diegelmann: Gründer und Vorstand
Michael Diegelmann hat über 50 Unternehmen an die Börse gebracht und Erfahrungen in über 250 Investor Relations und ESG-Projekten gesammelt. Er ist seit 1997 im Bereich Kapitalmarktkommunikation tätig und ein ausgewiesener Experte in ESG-Themen.